Normalerweise laden die Wanderstrecken des neuen Wanderweg Konzeptes „Gemaahnsweschelscher“ ein, die Gegend rund um Stockum-Püschen alleine oder mit Freunden und ohne Wanderführer zu erwandern.
Sozusagen zur "Saison-Eröffnung" hatte der Fachbereichsleiter Wandern & Freizeit des Westerwald-Vereins, Rainer Lemmer, zu einer geführten Wanderung auf einem der „Gemaahnsweschelscher“ eingeladen.
Beste Wanderbedingungen bei der Wanderung des Westerwald-Vereins
Einstellige Temperaturen und ein kalter Wind erwartete 51 gut gelaunte und hoch motivierte Wanderer am Wanderparkplatz am Dorfgemeinschaftshaus in Stockum-Püschen.
Nach dem obligatorischen "Hui Wäller - Allemol" begrüßte Lemmer die Wanderer und stellte sein Wanderteam für die heutige Wanderung vor:
- Stefanie Eichhorn, Zertifizierte Wanderführerin DWV und Natur- und Landschaftsführerin
- Andre Hauptmann, Bergbauexperte und Heimatkundler aus Leidenschaft
Tatkräftige, forstliche Unterstützung steuerte Mitwanderer Hartmut König, Fachbereichsleiter Natur- und Umweltschutz im Westerwald-Verein zur Wanderung bei.
Während einige Wanderer klimaneutral, mit Heimvorteil "zu Fuß" aus dem Ort anreisten, hatten andere Wanderfreunde eine längere Anreise an diesem Morgen, wie man sehr schön an den Nummerschildern (LDK, NR, DIL, SI, LM, EMS, AK, WW) erkennen konnte.
Nach Begrüßung und Einweisung in das Wanderwege Konzept des neuen Projektes "QR-Code Scannen und loswandern" wurde nach kurzem Fußmarsch der 16 m hohe Stöffel-Park Aussichtsturm erreicht.
Hier bietet sich eine beeindruckende Aussicht über das gesamte Steinbruchareal und den Stöffel-Park bis hin zum Gräbersberg und weiter bis hinein in das Tal der Großen Nister.
Über Pfade, Wald- und Wiesenwege führt die Wanderung vorbei an den beiden ältesten Bäumen der Gemeinde Stockum-Püschen stetig bergab, durch die geschichtsträchtige Gemarkung „Schmieden", zur über 100 Jahre alten "Wasserbrücke". Zwar sichtlich in die Jahre gekommen, erfüllt die Brücke heute immer noch ihren ursprünglichen Zweck.
Historische "Wasserbrücke" über die Westerwald-Querbahn
1907 wurde die Eisenbahnstrecke Rennerod – Fehl-Ritzhausen – Westerburg als Teil der Westerwald-Querbahn eröffnet.
Schon bald nach der Eröffnung wurden die Planer zwischen Nistertal und Bad Marienberg mit einer nicht erwarteten Situation konfrontiert.
Die Planer hatten sich wohl im Hinblick auf das vom Stöffel herabkommende Wasser gründlich verschätzt.
Zeitweise, gerieten im Gebiet der sogenannten Rutsch, große Erdmassen in Bewegung und „rutschten“ auf den Gleiskörper.
An anderen Stellen unterspülte das Wasser die Bahn.
Um das Wasser abzuleiten, baute man u. a. die sogenannte „Wasserbrücke“, in der das Wasser über eine Brücke über den Gleisen von einer Seite der Anlage zur anderen (noch immer fließt) und keine Schäden mehr anrichtete.
Historische Eisenbahnbrücke "die huuh Breck"
Die historische Eisenbahnbrücke war bei ihrer Fertigstellung und feierlichen Eröffnung am 31. August 1911 nach einer Bauzeit von nur 6 Monaten die größte Betonbrücke Deutschlands.
Mit einer Länge von 300 m und fast 40 m Höhe, komplett ohne Stahlarmierung mit Sand und Splitt von den nahen Steinbrüchen in Betonbauweise gebaut, galt sie als Wunder der Technik.
Wie Wanderführer Rainer Lemmer anmerkte, war nicht nur die Bauzeit beeindruckend, sondern auch die relativ niedrigen Kosten für den Bau der Brücke mit 300.000 Goldmark, heute umgerechnet 1,5 Mio.€. Nach vielen weiteren Informationen und Anekdoten zur Geschichte der Brücke wanderte die Gruppe weiter zur Hardter Mühle.
An der Hardter Mühle wurde die Große Nister über die Brücke gequert.
Weiter ging es auf teils sehr schmalem Pfad, unter der historischen Eisenbahnbrücke, einer für die damalige Zeit in Europa einmaligen architektonische Meisterleistung, hindurch Richtung Nistertal.
Bergbau in Nistertal
Der Wanderweg führt vorbei an den Spuren früherer Bergbautätigkeit. André Hauptmann hatte im Vorfeld der Wanderung in den Archiven recherchiert und gab der Wandergruppe einen Überblick über die Bergwerkstätigkeit im Bereich Nistertal. Als gesichert gilt das Bergbau in dieser Region schon vor dem 16. Jahrhundert betrieben wurde.
Zugefallen Stolleneingänge (der Fachmann spricht hier von "verbrochenen Mundlöchern") und alte Abraumhalden zeugten von den einstigen bergbaulichen Aktivitäten.
Damit sich die Wandergruppe ein Bild von den teilweise hier vorkommenden Erzen und Mineralien machen konnte hatte Hauptmann in seinem Rucksack eine repräsentative Auswahl von Gesteinsbrocken mitgebracht.
Bei der kurzen Verpflegungsrast erklärte Hauptmann die einzelnen Fundstücke die interessiert durch die Wandergruppe begutachtet wurden.
Grünfarbener Malachit, blauer Azurit, gelber & goldener Kupferkies, rotes-braunes Ziegelerz (alles Kupfer) & schwarzer Glaskopf oder Limonit (Eisen) - eine beeindruckende Auswahl an heimischen Gesteinen.
Nachdem die Nister über den Steg gequert wurde, ging es über Feld- und Wiesenwege stetig bergauf Richtung Stöffel-Park.
Auf halbem Weg legte die Gruppe eine kurze Verschnaufpause ein und Wanderführerin Stefanie Eichhorn erläuterte den Wanderern beim Blick in das Nistertal und den Ort Nistertal Tal die markanten Punkte und die Geschichte dahinter.
In der Ferne konnte man auch die vielen Wanderern durchaus bekannte Birkenhof Brennerei erkennen - schade nur das die Wandergruppe in entgegen gesetzter Richtung unterwegs war.
GeoInformationszentrum Stöffel-Park
Nach Ankunft im Stöffel-Park gab Gästeführer Egon Negd einen wissensreichen und äusserst unterhaltsamen Überblick über die Geschichte des Basaltabbau und die Entstehung des Stöffel-Parks.
Seine lebhaften Erzählungen und Anekdoten über die harte Arbeit im Steinbruch und die Menschen die hier über viele Jahre unter schwersten Bedingungen bei kargem Lohn arbeiteten begeisterten die Wandergruppe.
Beim gemeinsamen Besuch im Tertiärum wurde die Geschichte noch einmal lebendig.
Auf Informationstafeln wird die Geschichte um die Entstehung und die Vernichtung des Stöffel-See durch Vulkanausbrüche erklärt.
Die im Stöffel-Park gefundenen Fossilien sind hier ausgestellt, unter anderem auch der gut erhaltene Originalabdruck der hier im Ölschiefer gefundenen Stöffel-Maus.
Nach soviel Wissenswertem wurde die Wandergruppe durch den Stöffel-Park mit einer "Jack Wäller-Booster Erfrischung“, auf den Rückweg eingestimmt.
Vielen Dank an Egon Negd für die äusserst informative und unterhaltsame Kurzführung und das Team vom Stöffel-Park das den Besuch und die Erfrischung möglich machte!
Gestärkt galt es nun die letzten Kilometer der Wanderung zu meistern, denn der Weg führt weiter bergauf zum Startpunkt der Wanderung.
Begeisterung, zufriedene Gesichter, viel positives Feedback und Komplimente für das ganze Team waren der Lohn für die geführte Wanderung und für das neue Wanderwege-Konzept in Stockum-Püschen.
Während einige Teilnehmer noch zur kurzfristig organisierten Einkehr in der Metzgerei und Gaststätte Thomas Christian weiter wanderten, um bei einer deftigen Gulaschsuppe, Wurst- oder
Käseplatten die Wanderung Revue passieren zu lassen, traten die restlichen Teilnehmer die Rückreise an.
Einige Teilnehmer äusserten den Wunsch, ob vielleicht weitere geführte Wanderungen auf den Gemaahnsweschelschern angeboten werden könnten um die Wege im Wällerland rund um Stockum-Püschen gemeinsam zu entdecken.
Und "JA", die Wanderführerin hat die Begegnung mit dem Krokodil und den Besuch im Tertiärum überlebt 😉🤗
Fotoimpressionen 10 Km Wanderung auf dem SP4 der „Gemaahnsweschelscher“
Hintergrund zu den Gemaahnsweschelschern:
Das besondere am neuen Wanderweg-Konzept ist, dass die Wanderwege nicht durch Symbole oder Hinweistafeln markiert sind, sondern das wandern erfolgt durch Navigation auf Handy oder Navigationsgeräten und entsprechenden Apps.
Am Startpunkt für alle Rundwanderungen am Parkplatz Dorfgemeinschaftshaus in Stockum-Püschen sind auf einer Infotafel alle Routen mit einer Kurzbeschreibung beschrieben und mit einem eindeutigen QR-Code versehen.
Nach scannen des jeweiligen QR-Codes und dem herunterladen der GPS-Datei für Navigationsgeräte oder dem direkten Aufruf der Tour in Komoot wird die gewählte Tour geladen, die Navigation gestartet und die Wanderung beginnt. Selbstverständlich kann die Webseite der "Gemaahnsweschelscher" auch daheim am PC aufgerufen werden um sich die Routen in Ruhe anzuschauen um dann die entsprechende Touren herunterzuladen.
Die 10 Wanderrouten der "Gemaahnsweschelscher" führen als Rundwanderungen über insgesamt 136 km und 2.250 Höhenmetern im Anstieg und 2.250 Höhenmetern im Abstieg über Wald, Wiesen- und Wirtschaftswege, teilweise auch auf schmalen Pfaden querfeldein rund um Stockum-Püschen.
Wanderstrecken von 5 km (leicht) bis hin zu 30 km (schwer) bieten für Kurz- und Weitwanderer gleichermaßen Optionen.
Habt ihr Lust neues kennen zu lernen, mehr Hintergrund zu vermeintlich bekanntem zu erfahren und auch noch in einer landschaftlich reizvollen Region zu wandern - dann viel Spaß beim wandern der GEMAAHNSWEESCHELSCHER!
Weitere Infos zu den einzelnen Touren: