Trotz einiger Absagen, sogar noch am Morgen der Wanderung, begrüßten die Wanderführer Rainer Lemmer und Peter Franz 19 hoch motivierte Wanderfreunde in Erdbach.
Besonders erfreulich bei dem tristen Wetter war, dass 12 "Nicht-Mitglieder" des WW-Vereins sich auf den Weg nach Erdbach gemacht hatten.
Die 8 km Wanderung führte, in Anlehnung an den Karst- und Höhlenlehrpfad im Uhrzeiger-sinn von Erdbach nach Breitscheid, weiter zur Schauhöhle, durch die Gasseschlucht zurück zum Ausgangspunkt.
Eine Zeitreise sollte es heute werden
Wenn man die von der geologischen Zeitskala abgedeckte Zeitspanne auf die Dauer eines Tages herunter rechnet bekommt man erst einmal so richtig einen Eindruck darüber über welchen immens langen Zeitraum diese geologischen Prozesse stattgefunden haben und auch noch heute stattfinden.
Der moderne Mensch tauchte erst um 23:59:56 vor Mitternacht auf. Die Gesteinsschichten um Breitscheid hingegen existierten schon einige Millionen Jahre länger und "enstanden sozusagen um 22:05 Uhr".
tatsächlich bis heute verstrichene Zeit [Mio. Jahre] |
erdgeschichtliches Ereignis (Entstehung der/von…) |
heruntergerechnet auf einen Tag |
verbleibende Zeit bis Tagesende |
||
0,01 (Holozän) |
Ackerbau und Viehzucht |
0,2 s |
0,19 (spätes Pleistozän) |
Homo sapiens |
3,6 s |
2 (frühes Pleistozän) |
Homo habilis |
38 s |
7 (spätes Miozän) |
„Vormenschen“ |
2 min 15 s |
20 (frühes Miozän) |
Menschenaffen |
6 min |
40 (Eozän) |
Affen |
12 min |
60 (Paläozän) |
Primaten |
18 min |
200 (früher Jura) |
Säuger |
1 h 5 min |
315 (spätes Karbon) |
Amnioten |
1 h 40 min 22:20 |
360 (spätes Devon) |
Landwirbeltiere |
1 h 55 min. 22:05 |
425 (Silur) |
Knochenfische |
2 h 15 min |
470 (Ordovizium) |
Wirbeltiere |
2 h 30 min |
600 (Ediacarium) |
Bilateria |
3 h 10 min |
1500 (Mesoproterozoikum) |
Eukaryoten |
7 h |
2400 (Neoarchaikum) |
Photosynthese |
13 h |
3800 (Eoarchaikum) |
Einzeller |
20 h |
4570 (Hadaikum)
|
Erde |
24 h
|
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Geologische_Zeitskala
Im Vergleich zur Entstehungsgeschichte des Gebietes um Breitscheid, im Devon und im Karbon lebte, die Stöffelmaus im urzeitlichen Gebiet des heutigen Enspel erst wesentlich später im Tertiär Zeitalter vor 60 Mio. Jahren.
Licht am Ende des Tunnels?
Klar, das gab es auf der Naturkundlichen Wanderung um Breitscheid auch zu sehen!
Es war aber bei weitem nicht alles was es an Interessantem zu erfahren gab!
- Wieso liegt Breitscheid nicht mehr am Äquator?
- Wie entwickelte sich aus dem Riff die Karstlandschaft mit den einzigartigen und weit verzweigten bis zu 12 km langen Höhlensystemen?
- Was ist überhaupt eine Karstlandschaft?
- Warum verschwinden Bäche?
- Was haben Höhlenbären, Wollnashörner und Steinzeitmenschen gemeinsam?
Diese Fragen, zusätzliches Hintergrundwissen und vieles andere wurde bei der Wanderung erklärt und gezeigt.
WARUM es aber gerade heute während der gesamten Wanderung regnete - konnten die beiden Wanderführer allerdings auch nicht so richtig erklären!
Regen von oben - unter den Füßen der Karst!
Badesachen hätte man vor ca. 380 Millionen Jahren nicht vergessen dürfen, wenn man zu dieser Zeit im Gebiet um Breitscheid gewandert wäre.
Das Gebiet um Breitscheid lag damals viel weiter südlich in den Tropen im Bereich des Äquators.
Ein unterirdischer Vulkan reichte bis nahe an die Wasseroberfläche und im flachen warmen Wasser siedelten sich kalkbildende Organismen an und bildeten ein atollartiges Riff.
Der Meeresboden senkte sich ab und die Rifforganismen starben ab. Es bildete sich ein über 300 m dicker Kalkstein.
Dieser Kalkstein auch „Erdbacher Kalk“ genannt gab sogar einer Zeitstufe der Geologie den Namen „Erdbachium“.
Übrigens heißt so auch das Heimatmuseum im Dorfgemeinschaftshaus in Erdbach.
Leider blieben die Türen für die Wandergruppe verschlossen - es fand sich im Vorfeld niemand, der das Museum für die Gruppe öffnete.Schade!
Was ist eigentlich Karst?
Die meisten Westerwälder wissen was Basalt ist.
Der Westerwald ist bekannt für seine reichen Basaltvorkommen. Kaum ein Dorf oder ein Landstrich hat noch heute oder hatte vor langer Zeit Basaltabbau in der Gemarkung.
Als Karstgebiet werden in Deutschland 12% der Fläche, mit immerhin 10.000 Höhlen, bezeichnet.
Der Begriff Karst stammt aus der Region Kras, im Grenzgebiet zwischen Italien und Slowenien. Hier wurde zum ersten Mal das Phänomen von wasserlöslichen Steinen und der Einfluss dieser Prozesse auf die Landschaft erforscht.
Im Laufe der Zeit wurde der Begriff für alle Landschaften übernommen, die ähnliche Gesteinsformen aufweisen, die sogenannten Karstgebiete.
Verkarstung nennt man den Vorgang, bei dem wasserlösliche Gesteine durch Niederschlags-wasser mit Hilfe von Kohlendioxid (CO2) aufgelöst werden.
Wo Bäche verschwinden ...,
im Gebiet um Breitscheid wieder auftauchen, handelt es sich um eine besondere Ausprägung der Karstlandschaft.
Im Kleingrubenloch in Breitscheid, 1,3 km Luftlinie entfernt, verschwindet der Erdbach in sogenannten Ponoren (Bachschwinden), um dann 112m tiefer in Erdbach wieder an den Tag zu treten.
Auf dem Weg durch das Kalkgestein verdoppelt sich die Wassermenge des Erdbachs von durchschnittlichen 40 l/s auf 80 l/s am Wiederaustritt durch die unterirdischen Zuflüsse!
Das Wasser braucht zwischen 6 und 30 Stunden bis es das Höhlenlabyrinth des Erdbachsystems durchlaufen hat - bei Starkregen nur 1 Stunde!
Wo wohnten die Steinzeitmenschen?
Wahrscheinlich wohl in der Kleinen Steinkammer und der Großen Steinkammer. Die kleine Steinkammer ist, entgegen ihrem Namen, die größere der beiden Höhlen und liegt ca. 50 m entfernt von der Großen Steinkammer.
Genau weiß man es nicht, aber verschiedene Funde belegen eine frühe Besiedlung der Steinkammern die bis auf die Jungsteinzeit, ca. 4400-3500 v.Chr. zurückgeht.
Ob die Höhlen bewohnt waren oder nur gelegentlich als Zufluchtsstätte dienten oder ob Opfergaben dar gebracht wurden, lässt sich nicht genau sagen.
Wahrscheinlich war es eine Kombination von allem.
Im Herbst 1884 wurde die Höhle archäologisch erforscht.
Neben menschlichen Knochen, wurden Keramikscherben sowie Eisen- und Bronzegegenstände gefunden, darunter Ohrringe aus Bronze, eine Glas- und eine Bernsteinperle, und als Höhepunkt ein bronzener Wendehalsring.
Die Kleine Steinkammer wurde 2015 vom Hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie zum Hessischen Geotop des Jahres gekürt. Diese Steinkammer ist im Inneren schon nach wenigen Metern durch Steinbrocken und Deckeneinstürze nicht begehbar und wurde noch nicht weitergehend erforscht.
Vielleicht liegen in der Höhle ja noch die Gebeine des ersten "Wällers" und die Geschichte der Menschheit muss nach der Entdeckung neu geschrieben werden!
Wer weiß, wer weiß? 😉😂
Fotoimpressionen "Wo Bäche verschwinden und Steinzeitmenschen wohnten"
Schauhöhle Breitscheid
Eine Besichtigung der Schauhöhle war bei dieser Wanderung ja nicht geplant.
Dankeschön Frau Kuhlmann!
Das war total nett, dass wir einen kurzen Aufwärm-Stop im Empfangsbereich der Schauhöhle einlegen durften!
Durch die fachkundigen Erläuterungen unserer Mit-Wanderin und Höhlenführerin Marlene, wurde das Interesse für einen separaten Besuch der Schauhöhle in Breitscheid bei vielen Wanderfreunden geweckt.
Vielleicht gewinnt ja der eine oder andere mit seiner Stempelkarte im Gewinnspiel des Westerwald-Vereins zwei Gutscheine für einen freien Eintritt in die Höhle!
Fotos von meinem letzten Besuch in der Schauhöhle sind unter dem u.a. Hyperlink abrufbar.